„Was Sie sich alles anhören müssen…“: Über den Reiz, als Mediatorin zu arbeiten

03. Oktober 2018, geschrieben von 

Vielleicht kennen Sie als Mediatorin oder Mediator das auch: Am Ende eines intensiven Mediationstermins, in dem gerungen wurde um Verständnis für sich, füreinander und für eine konstruktive gemeinsame Entwicklung und in dem zwischenzeitlich vielleicht sogar fraglich war, ob es überhaupt voran – statt rückwärts, seitwärts oder im Kreis – gehen würde, sagt eine Partei im Rausgehen in Richtung der Mediatorin, zugleich leicht erschöpft und leicht lächelnd: „Na, Sie haben sich Ihren Feierabend jetzt aber auch verdient.“ Oder: „Was Sie sich alles anhören müssen bei Ihrem Beruf“.

Ein wenig Mitgefühl, fast Mitleid klingt hindurch. Vielleicht auch eine Prise Erleichterung, dass man selbst zwar gerade mitten in einem schwierigen Klärungsprozess steckt, aber eben – zum Glück! – nicht jeden Tag. Und irgendwie auch die freundliche Geste, die Mediatorin nicht nur als Profi, sondern auch als Menschen wahrzunehmen und anzusprechen…

Ja, es gibt sie zweifellos, die sehr anstrengenden Mediationen. Es gibt die Arbeitstage, an denen ich abends auch den Eindruck habe: Ich habe genug gehört, genug gesagt, genug Aufmerksamkeit und Präsenz für andere geschenkt – heute will ich mit niemandem mehr kommunizieren (und leider ist das Leben nicht immer genau so organisiert, dass das unmittelbar möglich ist…).

Aber ganz überwiegend ist es anders. Ich empfinde es als reizvoll, Menschen bei der Klärung und Bewältigung von kniffligen Situationen zu unterstützen. Und das hat bestimmt etwas mit mir zu tun. Typischerweise wird Mediator*innen ein Hilfe-Motiv und ein Harmonie-Streben unterstellt. Das mag durchaus auch bei mir eine Rolle spielen. Doch andere Aspekte sind für mich noch weitaus reizvoller – jedenfalls Stand heute, nach bald 20 Jahren Tätigkeit als Mediatorin:

Konflikte sind abwechslungsreich. Kein Gespräch gleicht dem anderen. Im Gegenteil: Tauchen vertraute Themen auf – und auf jeden Fall gibt es sich gleichende Themen in der Mediation! –, kann ich nach wie vor darüber staunen, wie verschieden Menschen auf diese Themen blicken und sich zu ihnen verhalten. Konflikte – oder vielmehr Menschen im Konflikt – überraschen mich insofern immer wieder.

Konflikte halten (mich) wach. Sie sind nicht vorhersehbar. Sie brauchen Aufmerksamkeit, Fingerspitzengefühl und Neugier. Den Beteiligten – und mir als Mediatorin – geht es stets um etwas; sie sind in aller Regel voll und ganz dabei. Und engagierte Menschen finde ich interessant.

Die berufliche Beschäftigung mit Konflikten ist aus meiner Sicht ein Garant für ein Berufsleben mit wenig Routine und ohne Langeweile – und das finde ich reizvoll. Nicht zuletzt lerne ich über die Vielfalt der Kontexte, in denen ich als Mediatorin unterwegs bin, die (Arbeits-)Welt in einer ganz besonderen Weise kennen. Als Fachexpertin in einem klarer begrenzten Feld wäre mir das so vermutlich nicht möglich.

Beim Schreiben dieser Zeilen fällt mir auf, wie selten unter Kolleg*innen von der ganz persönlichen Faszination an der eigenen Tätigkeit die Rede ist. Insofern erlaube ich mir diese Frage: Was macht für Sie den Reiz aus, als Mediatorin oder Mediator tätig zu sein?

Letzte Änderung am 15. März 2021
Kirsten Schroeter

… hat es beruflich mit Konflikten in Organisationen und Unternehmen zu tun, aus Überzeugung nicht auf eine Branche spezialisiert, sondern auf die Qualität der fachlichen und zwischenmenschlichen Zusammenarbeit und der Kommunikation. Sie bildet Menschen in Konfliktberatung und Mediation aus. Und mischt bei der Weiterentwicklung des Berufs „Mediatorin“ mit – vernetzend (in der Regionalgruppe Hamburg im Bundesverband Mediation) und schreiberisch (Mitherausgeberin der „Interdisziplinären Studien zu Mediation und Konfliktmanagement“ bei Nomos sowie Mitherausgeberin der „Viadrina Schriftenreihe zu Mediation und Konfliktmanagement“ bei Metzner).

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