Menschen ist es wichtig, ein positives Selbstbild von sich zu haben. Ist dies nicht der Fall, leidet der Selbstwert, die Selbstachtung und Selbstsicherheit. Sieht man sein Selbstbild bedroht, wird man es verteidigen. Das ist oft der Fall, wenn andere einem Eigenschaften zuschreiben und man selbst aber ein ganz anderes Bild von sich hat. Oder wenn Eigenschaften, die man selbst als positiv und erstrebenswert erachtet, von anderen herabgewürdigt werden. Fehlen Gelassenheit und Souveränität, ist der Konflikt meist nicht mehr weit. Man lässt es sich nicht bieten und setzt sich zur Wehr.
Was macht diese Art von Konflikten so brisant? Es der Angriff auf die "Identität". Man wird als Person in Frage gestellt. Der Satz "So kann es nicht weiter gehen, wir müssen sorgfältiger arbeiten" enthält implizit die Zuschreibung "Du bist schludrig" und den Appell "Ändere Dich und arbeite sorgfältiger!" So wie Herr Weinheim es macht - mag es noch so effizient sein - ist er nicht in Ordnung. Solche Fremdzuschreibungen werden oft als Übergriff auf das intimste Hoheitsgebiet, die eigene Persönlichkeit erlebt. Sieht sich Herr Weinheim z.B. als Mutter aller Sorgfalt, wird er diesen "falschen" Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen. Ist er hingegen stolz auf seine schnelle, effiziente Arbeitsweise (dem sich die Akribie unterordnen sollte), wird er diese Stärke hochhalten.
Ob sich daraus ein Identitätskonflikt ergibt, ist dann oft eine Frage der Souveränität und der Ambiguitätstoleranz. Sagt er sich "Also, ich weiß, dass ich sorgfältig bin, lass ihn doch reden" oder "Ja, ich mag nicht der Sorgfältigste sein, aber meine Stärke ist eine andere ..." wird die Zuschreibung nicht bedrohlich sein. Fühlt er sich hingegen angegriffen, beginnt das Ringen um Selbstbild und Fremdbild: Wer bestimmt und darf bestimmen, wie Herr Weinheim als Person ist? Bei dieser Frage wird Herr Weinheim alles daran setzen, seinen Kontrahenten und andere von der Richtigkeit seines positiven Selbstbilds und der Unrichtigkeit des Fremdbildes zu überzeugen.