Online-Moderation: Die Kommunikation zwischen den Beteiligten – Welche Tools eignen sich als virtueller Beratungsraum?

14. Juli 2020, geschrieben von 

Mit Corona und den damit einhergehenden Einschränkungen, sich persönlich zu treffen, starten Videokonferenzsysteme ihren Siegeszug.  Auch in der klassischen Beratung ersetzen synchrone Videokonferenzen die Arbeit von Angesicht zu Angesicht. Selbst wenn sie für viele keinen vollwertigen Ersatz bieten, so ermöglichen sie zumindest zum Teil, Mimik, Gestik und Körperhaltung mitzubekommen und so ein Gefühl für die Stimmungen im Raum zu entwickeln.

Viele Unternehmen haben hier bereits etablierte Systeme wie Microsoft Teams, Skype for Business, Cisco Webex, um nur einige zu nennen. Neben diesen bekannten „Schlachtschiffen“ rücken mit der Corona-Krise zunehmend cloudbasierte Lösungen in den Vordergrund, die nach Installation eines Clients auf dem eigenen Rechner oder sogar direkt aus dem Internet-Browser funktionsfähig sind. Diese ermöglichen quasi jedem Menschen einfach und kostengünstig zur „Gastgeberin“ einer Videokonferenz zu werden.

In diesem Beitrag möchte ich auf vier Lösungen eingehen, für die ich mich nach meinem Recherchen je nach Anwendungsfall entschieden habe. Einen grundsätzlichen Überblick über meine Entscheidungskriterien gebe ich in meinen Beitrag über eine gute Orientierung im Dschungel der Tools.

  1. Zoom ist sicherlich das Unternehmen, das mit seinem Videokonferenzsystem von der Corona-Pandemie profitieren und wachsen konnte wie kein zweites. Das liegt zum einen an dem großen Funktionsumfang, wie Kleingruppenräume (sogenannte Breakout-Rooms), Aufzeichnungsfunktion, Teilen des Bildschirms, Whiteboard, Chat und Teilnahme per Telefon. Zudem läuft Zoom meiner Erfahrung nach vergleichsweise stabil. Bei schlechter Verbindung skaliert Zoom Bild und Ton relativ zuverlässig herunter, Verbindungsabbrüche und Bildruckler bleiben so die Ausnahme. Vorbildlich ist, dass auch bei größeren Gruppen die gesamte Gruppe repräsentiert wird. Erst bei sehr großen Gruppen werden die Teilnehmerinnen auf mehrere Ansichten verteilt. Kritisch ist der Datenschutz zu sehen, da das Geschäftsmodell u.a. auf dem Weiterverkauf pseudo-anonymisierter Kundendaten besteht. Auch der bekannt gewordene Datenhack fördert nicht unbedingt das Vertrauen in das Unternehmen. Zoom hat aber an anderer Stelle bereits kräftig nachgebessert. So wurde das Aufmerksamkeit-Tracking abgeschafft und für Unternehmen sind mittlerweile individualisierte Datenschutzvereinbarungen möglich. Zoom ist in der kostenlosen Variante auf 40 Minuten begrenzt.
  2. Jitsi Meet und 8x8 sind der Open Source Counterpart zu Zoom. 8x8, das Unternehmen hinter dem Open Source Projekt, nutzt die Software Jitsi Meet und richtet sich mit seinem Angebot jedoch an kommerzielle Kunden. 8x8 bietet aber auch einen kostenlosen Zugang an. Wie bei Zoom finden Sie Aufzeichnungsfunktion, Teilen des Bildschirms, Chat und Teilnahme per Telefon. Große Gruppen werden in einer Ansicht dargestellt. Break-Out-Sessions wie Zoom kennt Jitsi Meet hingegen nicht. Kleingruppen können aber über mehrere Sessions abgebildet werden – eine Lösung, zu der man übrigens auch in Zoom greifen muss, wenn man es den Teilnehmenden ermöglichen will, sich eigenständig in und durch Kleingruppenräume zu bewegen. Nachteil dieser Notlösung ist, dass eine Videokonferenz immer erst beendet werden muss, bevor man den nächsten Kleingruppenraum betreten kann. Punkten können Jitsi Meet und 8x8 mit einem zeitlich unbegrenzt kostenlosen Angebot, der Teilnahme ohne zusätzliche Softwareinstallation und datenschutzfreundlichen Bestimmungen. Abstriche muss man bei der Übertragungsqualität und der Stabilität hinnehmen. Insbesondere die freien Jitsi Meet Installationen sind häufig überlastet. Die Teilnahme per Firefox-Browser kann je nach Version Probleme bei der Übertragung verursachen.
  3. Whereby ist die weit weniger bekannte, schlanke Lösung für kleinere Konferenzen mit bis zu vier Teilnehmerinnen. Der Funktionsumfang ist deutlich geringer, dafür lief es bei mir durchweg stabil und hat anders als Zoom keine zeitliche Begrenzung. Wie Jitsi Meet / 8x8 ist Whereby direkt aus dem Browser heraus lauffähig und bietet Funktionen wie das Teilen des Bildschirms und Chat. Auf Teilnahme per Telefon und neuerdings auch auf die Aufnahmefunktion muss man leider verzichten. Bei mehr als vier Personen muss man zudem zahlen, bei größeren Gruppen wird es dann auch schnell teuer. Whereby ist DSGVO-konform und lief bei mir ausnahmslos zuverlässig.
  4. BigBlueButton ist ein weiteres Open Source Projekt. Die Features ähneln denen von Zoom: Chat, Whiteboard, Kleingruppenräume und Teilnahme per Telefon. BigBlueButton wurde als virtuelles Klassenzimmer konzipiert und bietet daher ausgereifte Funktionen für den Einsatz von Grafiken, Videos und Präsentationen. Der Datenschutz ist DSGVO-konform umgesetzt. Allerdings werden Videokonferenzen in der Standardeinstellung aufgezeichnet und 14 Tage gespeichert. Folglich sollte man also zweimal schauen, ob man den Anbieter für vertrauenswürdig hält. Wie Jitsi Meet ist BigBlueButton kostenlos und direkt über den Browser nutzbar. Die Anwendung ist leider nicht so übersichtlich und intuitiv zu bedienen. Da ich bisher begrenzte Erfahrung mit BigBlueButton sammeln konnte, kann ich zur Stabilität mit großen Gruppen noch nicht so viel sagen. BigBlueButton stellt serverseitig wohl hohe technische Anforderungen, was dazu führt, dass es bei vielen Installationen zu Problemen aufgrund unzureichender Hardware kommt. Meine wenigen Erfahrungen als Teilnehmer waren hingegen durchweg positiv. Darüber hinaus finden sich – vermutlich wegen der hohen Serveranforderungen – nicht so viele öffentlich zugängliche Angebote zur kostenlosen Nutzung wie bei Jitsi Meet.

Derzeit greife ich aufgrund der Stabilität meist zu Zoom. Bei datenschutzsensiblen Kunden arbeite ich mit 8x8. In diesem Beitrag Videokonferenzen müssen keine Datenschleudern sein von Digitalcourage sensibilisiert der Verein für Datenschutzbelange bei Videokonferenzsystemen. Zudem findet man dort auch eine Übersicht über kostenlose und nach deren Einschätzung vertrauenswürdige Jitsi- und BigBlueButton-Angebote.

In der folgenden Tabelle fasse ich abschließend zusammen, was ich für mich jeweils hoch gewichte:

 

Zoom

Jitsi Meet / 8x8

Whereby

BigBlueButton

Funktionsumfang

Groß: u.a. Kleingruppenräume Aufzeichnungsfunktion, Teilen des Bildschirms, Whiteboard, Chat und Teilnahme per Telefon

Groß: Aufzeichnungsfunktion, Teilen des Bildschirms, Chat und Teilnahme per Telefon

Groß: u.a. Aufzeichnungsfunktion (kostenpflichtig), Teilen des Bildschirms, Chat

Groß: u.a. Kleingruppenräume Aufzeichnungsfunktion, Teilen des Bildschirms, Whiteboard, Chat und Teilnahme per Telefon

Handhabung

Einfach und intuitiv

Einfach und intuitiv

Einfach und intuitiv

Etwas unübersichtlich

Anzahl der Teilnehmenden

300 (100 kostenlos);
10000 (Webinar-Version)

50

50
(bis 4 kostenlos)

100

Teilnahme per Internet-Browser

möglich, erfordert aber entsprechende Konfiguration durch Gastgeber

Standard

Standard

Standard

Technische Zuverlässigkeit

hoch

mittel

hoch bis mittel

mittel

Unternehmen(ssitz) / Datenschutz

US / Privacy Shield zertifiziert, jedoch nicht für Personalangelegenheiten; Unternehmenslizenz kann DSGVO-konform gestaltet werden

Jitsi Meet: je nach Anbieter ausgezeichnet (DSGVO-konform)
8x8: US / Privacy Shield zertifiziert

gut Norwegen / DSGVO-konform

je nach Anbieter sehr gut, allerdings mit der Einschränkung, dass Aufnahmen 14 Tage gespeichert werden

Datensicherheit

Daten nur transportverschlüsselt; nicht Ende-zu-Ende verschlüsselt;

Daten nur transportverschlüsselt; Ende-zu-Ende Verschlüsselung geplant, für 2-Personenkonferenzen nutzbar, sonst nur experimentell

Daten nur transportverschlüsselt; nicht Ende-zu-Ende verschlüsselt

Daten nur transportverschlüsselt; nicht Ende-zu-Ende verschlüsselt, ausgenommen 2-Personenkonferenzen

Preis-Leistungs-Verhältnis

gut

sehr gut

gut

sehr gut

Letzte Änderung am 21. Juli 2020
Sascha Kilburg

… ist mit Kilburg Consulting selbstständig und als Coach, Teamentwickler und Mediator unterwegs. Menschen im Dialog zu begleiten, denen inner- und zwischenmenschlichen Herausforderungen bei der Bewältigung von beruflichen Aufgaben im Wege stehen, spiegelt sein Selbstverständnis wider. Er mag es, seine Arbeit einem kritischen Blick zu unterwerfen, Neues zu erlernen und Erlerntes zu teilen. Als Autor von Fachartikeln und E-Learning-Trainings beschäftigt er sich mit den Themen Kommunikation, Beratung und Mediation. In seinen 10 Jahren als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Hamburg lag sein Forschungsschwerpunkt auf der Vermittlung von Kommunikation und Beratung - digital wie analog.

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