Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV), namentlich die für Mediation zuständige Referatsleiterin Dr. Larissa Thole, hat seit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 in einer Reihe von Online-Diskussionsforen aktuelle und entwicklungsrelevante Fragen für die Qualität und die weitere Etablierung von Mediation und anderen Formen der Konfliktbearbeitung aufgegriffen. Im vorläufig letzten dieser Foren im November 2021 präsentierte sie ein Eckpunktepapier zur Reform der Verordnung, die – so die neue Hausleitung dies auch unterstützt – in 2022 unternommen werden soll. Dieser Beitrag informiert über die Pläne und ordnet sie ein.
Geplant ist ein Verzicht auf strenge Vorgaben bzgl. der (Einzel-)Supervision. Die Verordnung von 2016 hatte – zur Verwunderung vieler (ausführlicher dazu hier) – festgelegt, dass es für die Zertifizierung zwingend sei, Supervisionen zu Mediationen im Einzelsetting durchzuführen. Zukünftig soll es für die Zertifizierung möglich sein, frei zwischen einer Einzelsupervision oder einer Gruppensupervision, in der jemand den eigenen Fall reflektiert, zu wählen; dies entspricht dann dem bewährten Prozedere, wie es die Mediationsverbände bei der Lizenzierung von jeher praktizieren. In der Diskussion des Eckpunktepapiers gab es zu diesem Thema ausschließlich Zustimmung. Darüber hinaus wurde einhellig dafür geworben, in der Verordnung die Formulierung „Supervision im Anschluss an eine Mediation“ zukünftig zu verändern in „Supervision in Bezug auf eine Mediation“, um hier mehr fallspezifische Flexibilität in der Terminierung einer Supervision zu erreichen. Das schien beim Ministerium auf offene Ohren zu stoßen.
Geplant ist weiterhin eine Umstellung des Zertifizierungssystems: Statt der bisherigen Anforderung, einen supervidierten Mediationsfall (im maximalen Abstand von 12 Monaten seit dem letzten Ausbildungsmodul) durchzuführen, um sich zertifiziert nennen zu können, wird es dann nötig sein, insgesamt fünf supervidierte Mediationen vorzuweisen – dafür sind nach Abschluss der Ausbildung dann insgesamt 3 Jahre Zeit. Auch dafür gab es in der Diskussion ebenfalls überwiegend Zustimmung, denn auch hier gleichen sich nun die Anforderungen an das Prozedere der Mediationsverbände an – auch wenn manchen erst ganz allmählich klar zu werden schien, dass damit die Eingangshürde, sich zertifizierte:r Mediator:in zu nennen, deutlich höher und regelmäßig längere Zeit in Anspruch nehmen wird.
Das Eckpunktepapier enthält keine Festlegung darauf, ob diese erhöhte Zahl an Fall-Supervisionen beim Ausbildungsinstitut oder extern in Anspruch genommen werden kann oder soll. Dies wurde zunächst kontrovers diskutiert; nach meiner subjektiven Einschätzung dominierte in der Diskussion schließlich die freie Wahl der Supervision – und auch das BMJV schien geneigt, so zu verfahren.
Der reguläre Ausbildungsumfang soll sich zukünftig um weitere 10 Stunden zum Erwerb von Digitalkompetenz erhöhen. Eine pandemiebedingte Erfahrung über die Relevanz und Nützlichkeit von Onlinemediation. Der Gesetzgeber vermutet, dass diese Stunden prädestiniert für die Vermittlung im Online-Format sind. Damit wären zukünftig 130 Ausbildungsstunden zu absolvieren.
Aufgrund der pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen haben viele Ausbildungsinstitute mindestens Teile ihrer Mediationsausbildungen ins Online-Format verlegt – teilweise sogar zur Gänze. Da die bisherige Verordnung allerdings ausdrücklich von Präsenzzeitstunden spricht, entstand sowohl für Teilnehmende wie für Ausbildende eine erhebliche Unsicherheit, ob diese Form der Ausbildung die Anforderungen erfüllt. Im Eckpunktepapier wird dies nun sehr klargestellt: Zukünftig sollen maximal 20 % der Ausbildungsstunden online stattfinden können. Geht man von den erhöhten 130 Stunden aus, wären dies also maximal 26 Stunden, die online stattfinden können.
Neben der erhöhten Fallzahl und den zusätzlichen Stunden zur Digitalkompetenz soll es darüber hinaus zukünftig nötig sein, für das erstmalige Führen des Titel „zertifizierte:r Mediator:in“ weitere 40 Fortbildungsstunden zu absolvieren – bisher galt diese Fortbildungsverpflichtung erst mit dem Führen des Titels. Der nötige Ausbildungsumfang für die Zertifizierung erhöht sich damit von 130 Stunden auf 170 Stunden. Wieder wurde sehr kontrovers diskutiert, ob diese ersten 40 Fortbildungsstunden beim Ausbildungsinstitut oder extern absolviert werden können. Insbesondere die Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation (BAFM) warb sehr für eine Bindung ans Ausbildungsinstitut, andere argumentierten vehement dagegen. Die BMJV-Linie, so mein Eindruck, geht abermals in Richtung freie Wahl der Fortbildungsinhalte und -anbieter*innen der Ausbildungsteilnehmenden.
Das Eckpunktepapier sieht vor, dass es ein Ende der so harsch kritisierten Selbst-Zertifizierung geben wird. Zukünftig sollen die Ausbildungsinstitute die Prüfung (und somit ja letztlich die Zertifizierung) der Supervisionsbescheinigungen der insgesamt fünf Mediationsfälle sowie der Bescheinigung über insgesamt 40 Fortbildungsstunden übernehmen. Dies wurde – zu meiner Überraschung – heiß diskutiert. Zum einen wurden Datenschutzbedenken und Interessenskonflikte angemeldet (weil Ausbildungsinstitute nicht sehen sollen, wenn Auszubildende anderswo Fortbildungen besuchen bzw. Konflikte über anzuerkennende Fortbildungsinhalte entstehen könnten…). Dann ging es um die theoretische Möglichkeit, dass ein Ausbildungsinstitut möglicherweise 3 Jahre nach der Ausbildung nicht mehr besteht. Und schließlich haben einige zum wiederholten Mal eingefordert, dass das BMJV eine zentrale Prüfstelle, etwa den Qualitätsverbund Mediation (QVM) oder eine staatlich beliehene Stelle einsetzen möge, um das Vertrauen in die Zertifizierung zu erhöhen. Hier war die Geduld des BMJV sichtlich ans Ende gelangt; Frau Dr. Thole wies sehr ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei dem Zertifizierungsvorgang letztlich um eine Bescheinigung von Anwesenheit und nicht um eine inhaltliche Qualitätsprüfung handele. Dies sei den Ausbildungsinstituten unbedingt zuzutrauen.
Das BMJV rechnet damit, den förmlichen Entwurf zur Änderung der Verordnung im Frühjahr 2022 vorzustellen und dann in den demokratischen Abstimmungsprozess zu geben. Passiert das wie geplant, soll die geänderte Verordnung für alle gelten, die ab dem 1.1.2023 eine Mediationsausbildung beginnen.
Aus meiner Sicht insgesamt ein Vorschlag, der für ein deutlich verbesserungsbedürftiges Verfahren auf sinnvolle Weise an mehreren Stellen für mehr Klarheit, Eindeutigkeit und Handlungssicherheit sorgt.
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