Um diesen Veränderungsprozess zu unterstützen, kann es förderlich/hilfreich sein, wenn die Mediation an einem anderen Ort stattfindet und nicht dort, wo sich die Parteien normalerweise begegnen: Andere Räumlichkeiten bedeuten andere Anfahrtswege, sich woanders einzufinden, vielleicht gemeinsam nach dem Haupteingang oder dem Raum zu suchen, sich mit anderen Gegebenheiten vertraut zu machen. Ich habe oft erlebt, wie sich schon daraus (andere) Gespräche zwischen den Parteien entwickeln. Die Anfangsrunde bekommt ebenfalls eine andere Note, wenn darüber gesprochen wird, wie Parteien dahin gekommen sind. Sogar Fahrtgemeinschaften lassen sich auf einmal bilden. Erlebnisse, die für die Mediation hilfreich sein können (siehe auch dazu auch den Blogbeitrag Business-Lounge, Büro oder Baumhaus?). Die Parteien lernen sich besser oder anders kennen, finden vielleicht heraus, dass sie sich außerhalb des normalen Alltags besser verstehen als gedacht. Das löst nicht den Konflikt, kann aber die Lösungsfindung unterstützen.
Auch wenn es thematisch eher zum „Wie“ als zum „Wo“ einer Mediation gehört, auch das berühmte „Arbeiten im Stuhlkreis“ fällt für mich in die Kategorie veränderte „Räumlichkeiten“, weil sich kaum ein Team im Alltag so direkt, offen, ohne Möglichkeit, unsichere Arme oder Beine unter einem Tisch zu verstecken, begegnet. Keine Partei sitzt am Tischende, „oben“ oder „unten“. Diese ungewohnte Situation muss ich auch manchmal den Parteien nahelegen, vor allem dann, wenn die Tische zu Beginn noch im Raum stehen… Andere würden sich wieder anders begegnen als mit Stühlen mit/ohne Tische. So zum Beispiel ein Team von Yoginis, mit dem ich gearbeitet habe. Für sie war die große Veränderung in dem Moment, auf Stühlen zu sitzen statt auf Matten. Da mussten zunächst beim Nachbarn extra Stühle ausgeliehen werden, damit wir überhaupt genug hatten.
Aber zurück zum „Wo“. Auf die Möglichkeit, Räume anzumieten, muss ich, glaube ich, nicht näher eingehen. Auch nicht auf die Möglichkeit, gegebenenfalls eigene Räume der Mediator:in zu nutzen. Die gibt es natürlich, preislich von/bis oder im Honorar incl/excl., je nachdem. Eine andere Möglichkeit ist es, das „Prinzip der vorhandenen Möglichkeiten“ zu nutzen: Räume, auf die das Team aus verschiedenen Gründen zugreifen kann. Erlebt habe ich da einiges vom benachbarten Café über Theaterbühnen bis hin zu verschiedenen Orten im Freien, mit oder auch ohne Sitzgelegenheiten (der Boden geht immer!) - und natürlich immer bei gutem Wetter. Dies sind mitunter die schönsten Mediationen gewesen. Vielleicht weil aus den besonderen Orten etwas anderes entstanden ist, vielleicht weil wir alle teilweise von einem gespannten „Huh, mal schauen, ob das so funktioniert?!“ begleitet wurden. Ein gemeinsames Zurechtruckeln und Ausprobieren. Um es jetzt auch nicht zu idyllisch darzustellen: Man muss eventuell mit einer anderen Geräuschkulisse arbeiten, und es fehlt an Equipment, Moderationskoffer, Metawänden, Flipcharts. Wenn es aber das alles nicht gibt, müssen andere Methoden der Darstellung oder der Bearbeitung der Themen eingesetzt werden. Verschiedene Formen von Aufstellungen können fast überall genutzt werden, ein normales DIN A4-Blatt reicht für wirklich Vieles aus. Der Mediation wird an einem solchen Ort etwas anderes hinzugefügt.
Ein sehr schöner Zusatzeffekt bei den „außerarbeitlichen“ Räumlichkeiten: Nach der Mediation huschen alle nicht in die Büros oder wie im Alltag auf den gewohnten Nachhauseweg; es entstehen eher Gespräche wie: „Bist du auch mit dem Fahrrad hier?“ oder „Wollen wir vielleicht was Kleines essen gehen?“.
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