Immer wieder spüre ich auch meine eigene Unsicherheit, wenn es um Gefühle geht. An einem Mediationstag können sich Gefühle wie Zuversicht, Freude, Unsicherheit, Irritation oder Verwirrung in Wechselwirkung in mir breit machen. Was mache ich nun damit mitten im Prozess? Auch die Gefühle der Medianten ziehen nicht an mir einfach vorbei. Wie reagiere ich darauf und verhalte mich, damit ich im Prozess wirksam bleiben kann? Und machen mich all diese Gefühle zu „privat“ oder gar unprofessionell? Wie kann es mir gelingen, den Konflikt und die damit verbundenen Gefühle bei den Konfliktparteien zu lassen, und dennoch einfühlsam sein?
Die Fragen reihen sich fast unendlich. Und es sind Fragen, die sich sicher allen Mediatoren stellen, wenn uns eine Mediation auf die eine oder andere Art (emotional) mitgenommen oder bewegt hat.
Menschen haben Gefühle. Damit spielen die Empfindungen und Gefühle der Konfliktparteien eine Rolle sowohl für das Entstehen eines Konfliktes sowie für deren Lösung. Mediationen können demnach mehr oder weniger „sachlich“ sein, je nach Konfliktgegenstand und Hintergrund und vor allem abhängig von den konfliktbeteiligten Menschen. Somit sind Mediationen genau so emotional wie die beteiligten Menschen. Mit gegenseitigem Respekt und Wertschätzung geäußert können Gefühle aus meiner Sicht grundsätzlich auch nicht „zu viel“ werden.
Jede Konfliktpartei darf und soll für sich entscheiden dürfen, ob sie (starke) Gefühle zeigen möchten. Auch wenn sich die Parteien einigen, sie möchten offen und ehrlich miteinander umgehen im Prozess, kann das für den einen „mit viel Gefühl zeigen“ einhergehen, für den anderen aber nicht. Letzteres ist aber nicht weniger „offen“ oder „ehrlich“.
Manche Konflikte lassen sich anhand von sachlichen Interessen und Prioritäten lösen; andere vermeintlich sachliche Konflikte werden immer emotionaler, zum Beispiel aufgrund von enttäuschten Erwartungen oder dem Gefühl, übergangen worden zu sein. Andere Konflikte wiederum haben eine (fast) ausschließlich emotionale Basis, weil sich die Parteien bewusst oder unbewusst innerlich verletzt fühlen. Wie viel Gefühl hängt also vom einzelnen Konflikt und von den Menschen ab, die sich im Konflikt befinden. Die Einschätzung, ob bzw. wann jemand „zu laut“ war oder „zu viel“ geweint hat, hängt weiter auch mit dem jeweiligen Kontext und der internen Kultur zusammen.
Meine Rolle sehe ich vor allem darin, den Rahmen so zu gestalten, dass jeder sich in der Lage sieht, seine Beiträge, Interessen oder Meinungen frei äußern zu können. Auch „schwierige“ Gefühle wie Wut, Enttäuschung oder Trauer können ohne verurteilende „Du-Botschaften“ vermittelt werden. Nur wie gelingt dies bei großem „Gefühlsgemenge“? Darüber werden wir weitere Blogbeiträge schreiben und freuen uns sehr über weitere Fragen von Ihnen. Welche Fragen stellen Sie sich - und wie haben Sie die vielleicht schon beantwortet?