Die Methode stammt aus der systemischen Familientherapie und ist an sich denkbar einfach. Sieh es doch einfach mit anderen Augen oder wortwörtlich: Stell dir die Situation in einer anderen Rahmung vor. Zum Beispiel, dass das gefühlte Ablehnen oder Blockieren vielleicht einen ganz anderen Hintergrund hat als das zuerst vermutete. Beispielsweise anhand von Fragen wie: „Angenommen die Absicht wäre positiv, was könnte die Absicht dann sein?“
Die Situationen sind vielfältig:
- Das vermeintlich mangelnde Interesse einer Führungskraft kann auch bedeuten, dass sie keinen Bedarf für Austausch sieht, weil der Mitarbeitende besonders tolle Leistungen bringt;
- die gefühlte Ablehnung eines Kollegen könnte auch darauf zurückzuführen sein, dass der Kollege sich in einer Situation sachlich verhalten hat, ohne die Person abzulehnen;
- das gefühlte Intrigieren gegen die eigene Person könnte auch daherkommen, dass der vermeintlich Intrigierende ein starker Netzwerker ist.
Im zweiten Schritt geht es darum gemeinsam zu schauen: Angenommen Sie ziehen (doch) an einem Strang, angenommen Sie arbeiten mit und nicht gegeneinander, wie würde sich dann die Kommunikation und die Zusammenarbeit ändern? Wie würden Sie sich (morgen) anders begegnen? Was wäre also das Gute daran, die Blickrichtung zu wechseln?
Theoretisch könnte man zwischen Reframing (eine Situation umdeuten) und Perspektivenwechsel (eine Situation mit anderen Augen sehen – beispielsweise denen der anderen Konfliktpartei) unterscheiden. In meiner Praxis aber wechseln sich die Begrifflichkeiten meistens fließend ab. Ich stelle selten konkret die Frage: „Wie würde es aussehen, würden Sie die Situation mit den Augen von XY betrachten?“, aber nutze eher das Reframing, um genau das zu erreichen.
Manchen fällt es relativ leicht, auf diese gedankliche Reise zu gehen und sich Hypothesen zu überlegen, was das Verhalten andere auch noch bedeuten könnte.
Manchen Konfliktparteien fällt aber einen Blickwechsel schwer. Entweder weil sich der Konflikt so verhärtet hat, die Verletzungen zu viel oder tief sind, oder weil die Parteien sich so lange an die eigene Wahrnehmung gehalten haben, dass es sich nicht mehr authentisch anfühlt, diese zu ändern. Aber auch Wirklichkeitsbilder oder Glaubenssätze können einem im Wege stehen.
Beispielsweise sind Sätze wie: „Ich habe eine sehr gute Menschenkenntnis“ einerseits wunderbar, weil sich die Person dann wahrscheinlich in bestimmten Situationen oder in bestimmten Beziehungen besonders kompetent fühlt. Andererseits kann genau dieses Gefühl von Kompetenz dazu führen, dass wir fest davon überzeugt sind, dass unsere Deutung von einem Verhalten oder einem Gesichtsausdruck „richtig“ ist. Hier könnte ein Reframing bedeuten, dass sich die Person von dem Gefühl kompetent zu sein verabschieden müsste; oder das eigene Weltbild müsste ganz neu konstruiert werden.
Die Aufgabe der Mediatorin wäre in dieser Situation zu betonen, dass es nicht darum geht, eine bestimmte Kompetenz (beispielsweise „gute Menschenkenntnis“) abzulegen, sondern sich einfach eine neue dazuzulegen. Vielleicht sowohl „sehr gute Menschenkenntnis“ als auch ein flexibles Menschenbild…
Was sind Ihre Erfahrungen mit Reframing?