Als Mediatorin komme ich natürlich erst dann ins Spiel, wenn die Gespräche weniger erfolgreich waren. Die Situationen, die mir begegnen, sind in aller Regel die, wo sich die Mitarbeitenden kritisiert, zu Unrecht kritisiert oder auf andere Art und Weise missverstanden fühlen. Und weil die Gesprächsbögen in den Personalakten landen, bekommen die Gespräche natürlich eine große potenzielle Reichweite. Diese Situationen sind ganz besonders deswegen bedauerlich, weil beide Parteien im Idealfall mit Zuversicht und Zutrauen in diese Gespräche gehen sollten. Bisher habe ich auch stets erlebt, dass beide Parteien nach gescheiterten Mitarbeitergesprächen sehr gewillt waren, nach Lösungen zu suchen und die Zusammenarbeit fortzusetzen. Soweit also gute Voraussetzungen für eine Mediation.
Der Weg zum gegenseitigen Verständnis ist sehr unterschiedlich; grundsätzlich geht es ja aber darum, beide Parteien (wieder) zusammenarbeitsfähig zu machen. Meist versuchen wir, den Sinn und Zweck des Gespräches herauszufinden, die Vorwürfe in Wünsche umzuformulieren, wechselseitige (Vor-)Urteile aufzuklären, einen eventuell unausgesprochenen Konflikt sichtbar und lösbar zu machen oder Kritik in Feedback umzuformulieren. Dann geht es beispielsweise statt eines Satzes wie „Sie sind zu langsam“ (verallgemeinernde und abwertende Kritik) um die Rückmeldung „Ich habe den Eindruck, Sie kommen mit der Menge an Aufgaben nicht zurecht“ (konkretes und neutrales/sachliches Feedback).
Meine Hypothese ist, dass die meisten Führungskräfte den Wunsch haben, dass die Mitarbeitenden gut und gerne leisten. Der eigentliche Sinn und Zweck der Mitarbeitergespräche liegt genau darin: Dass das kommende Jahr der Zusammenarbeit (noch) erfolgreicher wird als das vergangene. Zumindest soll es nicht verschlechtert werden. Ein gut geführtes Gespräch kann die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden stärken und beiderseits Ressourcen freisetzen.
Wenn aber in dem Gespräch anstelle von Wahrnehmungen und Wünschen Kritik geäußert wird, ist die Chance groß, dass die Mitarbeitenden das Gespräch mit einem Gefühl von Inkompetenz und Verunsicherung verlassen. Gefühle, die professionellem und persönlichem Wachstum eher im Wege stehen. Und wenn meine Hypothese stimmt, wäre das weniger sinnvoll.
In Organisationen, wo von Beurteilungsgesprächen und Beurteilungsbögen die Rede ist, werden die Führungskräfte aus meiner Sicht vor ein Dilemma gestellt. Eine Beurteilung vorzunehmen ruft in den meisten Fällen nach „gut“ oder „schlecht“, „richtig“ oder „falsch“; da liegt es nahe, reguläre Kritik zu äußern.
Sehr komplex sind weiter die Situationen, wo zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden ein Konflikt besteht. Ein schon vorhandener Konflikt stellt oft ein Hindernis für ein konstruktives Gespräch dar. Grundsätzlich wäre hier mein Impuls, solche Konflikte an einem anderen – vorzugsweise vorverlegten – Zeitpunkt außerhalb des Jahresgesprächs zu klären. Möglicherweise kann es auch hilfreich sein, etwas mehr Zeit einzuplanen und die Konfliktsituation offen am Anfang des Gespräches anzusprechen – zum Beispiel so: „Mein Gefühl ist, dass wir uns im vergangenen Jahr nicht so gut verstanden haben… vielleicht habe ich das ja missverstanden. Wie sehen Sie das?“ Wenn nämlich auf beiden Seiten nicht angesprochene oder ungeklärte Irritationen im Raum stehen, kann sich vermutlich auch konstruktives Feedback im Jahresgespräch wie Kritik anfühlen.
Wie Sie vielleicht merken, finde ich das Thema sehr wichtig und spannend. Gerade weil der Grundgedanke hinter den jährlichen Gesprächen so sinnvoll ist und weil ich, wie gesagt, bisher immer sehr wohlwollenden Parteien begegnet bin. Eigentlich die besten Voraussetzungen fürs Gelingen!
Haben Sie eigene Erfahrungen mit Mitarbeitergesprächen? Oder mit Klärungen im Anschluss an solche Gespräche?