Ich verdanke es somit dem Virus oder vielmehr hartnäckigen Konfliktparteien, die mich überredet haben, trotz meiner Zweifel Erfahrungen mit moderierten Konfliktgesprächen im virtuellen Raum zu sammeln. Mein Blick ist in den letzten Wochen differenzierter geworden, was in diesem Rahmen für mich möglich ist und was auch nicht.
Nach meinen ersten Erfahrungen hat sich meine Hypothese bestätigt, dass dieses Format nicht dazu eignet zu sein scheint, tiefgreifende Beziehungskonflikte transformativ zu bearbeiten. Womit ich dagegen gute Erfahrungen gemacht habe, sind interessensbasierte Konflikte zum Umgang mit konkreten Sachentscheidungen, die in Unternehmen und Organisationen oder Familien dringlich sind.
Für mich ist es mittlerweile keine Frage mehr, ob ich Online-Mediationen anbiete, sondern in welchen Fällen bzw. zu welchen Themen und wie ich meine Empfehlung gegenüber den Konfliktparteien kommuniziere.
Ich habe dabei die überraschende Erfahrung gemacht, dass in einer Mediation, die ich online fortgesetzt habe, die Konfliktparteien mir nach der Sitzung die Rückmeldung gaben, dass sie sich mit diesem Format wohler gefühlt hätten als mit der anderen Person im selben Raum. Bei diesen Mediand*innen handelt es sich um ein getrenntes Paar, das mit meiner Unterstützung ihr Nebeneinander in der Elternschaft aushandelt. Sie sind an einem zukünftigen Miteinander nicht interessiert, sondern möchten sich bestmöglich entflechten, um weiterhin gemeinsam Eltern bleiben zu können. Sie wollen ihre Verletzungen der Vergangenheit bewusst nicht aufarbeiten, sondern lediglich pragmatisch und zukunftsorientiert den bestmöglichen Umgang mit der Situation der geteilten Elternschaft finden. In dieser emotional für beide sehr belasteten Entflechtungssituation war die Online-Mediationssitzung nun offenkundig ein Segen, und ich kann mir vorstellen, dieses Format auch über die Krisenzeit hinaus Menschen in eskalierten Trennungs- und Entflechtungsprozessen anzubieten.
Bei meinen bereits gestarteten oder terminierten Mediationen war und ist meine Leitfrage: Was sollte für die Krisenzeit miteinander besprochen und vereinbart werden? Welche Entscheidungen sind dringlich, weil sie zeitnah getroffen werden müssen? Diese Themen kommen bei Bedarf in die Online-Krisenzeiten-Mediation. Hierbei ist das klar kommunizierte Ziel, die Arbeitsfähigkeit in Corona-Zeiten sicherzustellen.
Ich bin sehr gespannt auf Eure und Ihre Erfahrungen mit Mediationen im virtuellen Raum!