Es scheint paradox zu sein: Kaum jemand unter meinen Kollegen, Bekannten oder Freunden, die sich nicht gerade mit dem einen oder anderen Konflikt herumschlagen. Gemessen an diesem Bedarf erscheint die Nachfrage nach einer neutralen Konfliktvermittlung durch eine unabhängige dritte Person gering. Ist der Bedarf in Unternehmen, NGOS, im öffentlichen Dienst, in Schulen, Kindergärten, Vereinen und bei Privatpersonen bereits gedeckt? Ich denke nein. Doch bis sich der Bedarf an Konfliktvermittlung in einer entsprechenden Nachfrage an Mediation widerspiegelt, bedarf es wohl noch einiger Überzeugungsarbeit. Es erfordert einen Wandel im Denken, der Konflikte als Chance für Innovation und Entwicklung begreift.
Seit der ersten Pionierphase in den 80ern und 90ern, ist zu beobachten, dass die Mediation schrittweise ihren Weg in die Gesellschaft findet. Einige große Unternehmen wie SAP, Lufthansa Technik und weitere sind hier Vorreiter und haben oftmals bereits interne Konfliktmanagementsysteme etabliert. In vielen anderen Organisationen ist Mediation mittlerweile ein Begriff, wenngleich noch keine Selbstverständlichkeit. Ähnlich wie beim Coaching in der Wirtschaft oder bei den Beratungslehrern in den Schulen erwarte ich, dass sich dieser Wandel im "Denken" der Gesellschaft fortsetzen wird.
Die vergleichsweise geringe Nachfrage führt dazu, dass ausgebildete Mediatoren in Ermangelung auskömmlicher Aufträge anderswo Karriere machen - in Wirtschaft und Behörde genauso wie im sozialen und im Bildungsbereich. Sie tragen dann als Konfliktexperten mit ihrem Wissen um Konflikte zum Kulturwandel in Organisationen bei. Ich bin optimistisch, dass die Mediation in 25 Jahren als selbstverständliches Werkzeug der Personalführung etabliert sein wird.
Für frisch gebackenene Mediatoren heißt es gleichwohl: Es wird wohl weiterhin ein steiniger Weg bleiben, erste Praxiserfahrungen zu sammeln. So heißt es nach wie vor: Ärmel hochkrempeln!