Diese Situationen werden seltener, je bekannter Mediation wird – in meiner Wahrnehmung ist das in den letzten Jahren in ganz erfreulichem Maße der Fall. In einschlägigen Befragungen wissen gut zwei Drittel der Bevölkerung um die Bedeutung von Mediation, knapp die Hälfte sehen darin das Potential, um Streitigkeiten beizulegen (siehe etwa Roland Rechtsreport 2015). Mediation ist wahrlich keine neue Erfindung oder gar ein neuer Begriff; wunderbar lässt sich das bei Joseph Duss-von Werdt (2005) nachlesen, der in „homo mediator. Geschichte und Menschenbild der Mediation“ die Entwicklung von Mediation seit dem 6. Jahrhundert vor Christus nachzeichnet. Doch dass der Begriff vielen geläufig ist, ist neu. Und dieser neue Zustand hält gleich die nächste begriffliche Herausforderung für uns Mediatoren bereit!
Nicht selten passiert es mir, die ich vornehmlich in Organisationen tätig bin, dass die Anfragenden bestens im Bilde darüber sind, was Mediation ist und bewirken kann. Deswegen fragen sie mich ja an. Aber sie haben ein begriffliches Anliegen, das so oder so ähnlich daher kommt: „…eins noch: Es wäre wichtig, dass wir nicht von ‚Mediation‘ sprechen. Wie wäre es mit 'Teamklärung' oder 'Team-Workshop'?“
Gefragt, was am Etikett „Mediation“ so schädlich sei, erfolgen ganz verschiedene Begründungen: Es habe schlechte Erfahrungen mit Mediation gegeben, der Begriff sei fürs Erste „verbrannt“. Mediation werde intern als Instrument für eine sehr eskalierte Situation angesehen; diese Aussage wolle man lieber vermeiden, um nicht noch mehr Öl ins Feuer der Konfliktdynamik zu gießen. Mediation werde verbunden mit dem Eingeständnis, dass es „so nicht weiter“ gehen könne – so schlimm sei es ja dann doch (noch) nicht. Mediation klinge zu stark nach „Hilfsbedürftigkeit“ oder nach einem „psychologischen/weichen Verfahren“ und wecke unnötige Widerstände. Und, und, und.
Natürlich ist jede Mediatorin aufgerufen, ihren Umgang mit diesem Anliegen zu finden – die Interessen dahinter zu erhellen, entsprechende Optionen auszuloten und die Passung zum eigenen Berufsverständnis, auch mit Blick auf das Mediationsgesetz, zu prüfen. Ich frage mich aber darüber hinaus, ob sich in diesen Situationen schlicht die wachsende Normalität des Verfahrens – und damit auch die größere Breite an Erfahrungen und Perspektiven darauf – abbildet. Oder haben wir als Mediatorinnen und Mediatoren noch eine Aufgabe in der weiteren begrifflichen Schärfung vor uns?