29. März 2021

Einzelsupervision, Einzelfallsupervision in Gruppen, Gruppensupervision… – was denn nun?!

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Dass die Reflexion eigener Mediationsfälle im Rahmen einer Supervision ein sinnvoller und notwendiger Bestandteil einer guten Mediationsausbildung sein sollte, ist unstrittig. Und auch für ausgebildete Mediator*innen bleibt es für die Weiterentwicklung der eigenen Professionalität zentral, immer wieder herausfordernde Situationen aus der eigenen Praxis supervisorisch zu bearbeiten. In den Qualitätsstandards der Mediationsverbände fanden sich diese professionellen Selbstverständlichkeiten von Anfang an wieder. Und so war es stimmig und folgerichtig, dass Supervision im Mediationsgesetz (MediationsG von 2012) Eingang fand und in der Ausbildungsverordnung (ZMediatAusbV von 2016) genauer bestimmt wurde.

Diese genaueren Bestimmungen hielten allerdings für die Mediationslandschaft eine Überraschung bereit: In der Ausbildungsverordnung wurde durchgängig und ausschließlich von Einzelsupervision gesprochen. Daran schloss sich eine lebendige Debatte unter Mediator*innen und insbesondere unter Mediationsausbilder*innen an: War hier wirklich Einzelsupervision – im Sinne eines Einzelsettings von Supervisand*in und Supervisor*in – gemeint? Oder wollte der Gesetzgeber lediglich sicherstellen, dass als Supervision im Sinne der Ausbildungsverordnung nur zählen sollte, wenn jemand den je eigenen Mediationsfall – im Sinne einer Einzelfall-Supervision – bearbeitete, unabhängig vom Setting?

Für beide Sichtweisen fanden sich teils sehr vehement auftretende Fürsprecher*innen [1]. Ein gut Teil der Leidenschaft in dieser Debatte erklärt sich sicherlich aus Unterschieden auf mindestens drei Ebenen. Zum einen – so jedenfalls meine klare Einschätzung – fußte bis dahin die Praxis der Supervision in Mediationsausbildungen beinahe ausschließlich auf Supervision in (Klein-)Gruppen. Diese Praxis war damit klar herausgefordert, wenn nicht in Frage gestellt. Zum anderen entstand nun ein deutlicher Unterschied in den Anforderungen an sowohl den Inhalt wie den zeitlichen Umfang von Supervision in Mediationsausbildungen zwischen den Qualitätsstandards der Mediationsverbände und denen der Ausbildungsverordnung.

Während die Ausbildungsverordnung nunmehr ausschließlich die Fallsupervision (als Einzelsupervision) in den Mittelpunkt rückt, ist die Supervision wie sie die Verbände verlangen im Sinne einer klassischen Ausbildungssupervision inhaltlich sehr viel breiter angelegt: Es gilt, im Rahmen der Supervision das eigene Profil als Mediator*in zu entwickeln; den eigenen Stil, das eigene Angebot zu schärfen; den Weg in die eigene Praxis zu finden; die mediative Rolle und Haltung zu festigen; Rollenklarheit, ggf. in Abgrenzung zu anderen professionellen Rollen, zu entwickeln u.v.m. Und während die Ausbildungsverordnung nun im Grunde einen Minimalstandard von genau einer Stunde Fallsupervision in Ergänzung zu den Ausbildungsstunden präzisiert, erwarten die Verbände einen deutlich höheren Stundenumfang – der Bundesverband Mediation beispielweise verlangt aktuell 30 Stunden Supervision, von denen zehn Stunden der Fall-Supervision gewidmet sein sollen.

Mit Inkrafttreten der Ausbildungsverordnung und im Zuge der oben erwähnten lebhaften Debatte – so mein Eindruck – richteten sich die Ausbilder*innen zunächst je nach inhaltlicher Auslegung und Präferenz ein. Manche stellten um auf Supervision ausschließlich im Einzelsetting, manche boten sowohl Einzel- wie Gruppensupervision an, etliche beließen es bei der gewohnten Gruppensupervision, bescheinigten fortan allerdings denen, die eine Einzelfall-Supervision in der Gruppe in Anspruch nahmen, dann eine Einzelsupervision, um (mit mehr oder weniger ungutem Gefühl) formal auch den Anforderungen der Ausbildungsverordnung Genüge zu tun.

Doch mittlerweile ist diese supervisorische Grauzone geklärt – wenn auch an recht versteckter Stelle, weshalb ich hier gern darauf aufmerksam machen möchte. Im Herbst 2019 stellte die FDP im Bundestag eine Kleine Anfrage zu „Transparenz und Qualitätssicherung in der Mediation“. Darin enthalten ist u.a. die präzisierende Nachfrage zur Gestaltung der Supervision:

„Wollte die Bundesregierung, dass eine Supervision im Sinne von § 2 Absatz 2 und § 4 Absatz 1 ZMediatAusbV ausschließlich in Form einer Einzelsupervision durchgeführt werden kann?“

Der bemerkenswert deutlichen Antwort der Bundesregierung (hier verfügbar) ist eindeutig zu entnehmen, dass im Sinne der Ausbildungsverordnung Einzelsupervision im Einzelsetting gemeint ist (die Rede ist vom Einzelgespräch) und dass andere Formen der Supervision selbstverständlich zusätzlich möglich sind. Und damit entfällt – so meine Überzeugung – nun unmissverständlich die bis dahin teils noch praktizierte Variante der ausschließlichen Einzelfall-Supervision in Gruppen. Teilnehmer*innen von Mediationsausbildungen sollten sich insofern vergewissern, dass sie im Rahmen ihrer Mediationsausbildung (auch) eine Einzelsupervision erhalten, in der sie einen eigenen Mediationsfall bearbeiten.

Statt – wie es in der oben erwähnten Debatte teils geschah – auf die jeweiligen Defizite von Einzel- und Gruppensupervision abzuheben, sollten wir die spezifischen Vorteile, die jedes dieser Formate bietet, kombinieren und Ausbildungsteilnehmenden beides ermöglichen – und somit den Absolvent*innen weiterhin die Entscheidungsfreiheit ermöglichen, ob und wenn ja welchen Qualifizierungsstandards sie sich als professionell handelnde Mediator*innen anschließen.

Die Frage danach, welche Anforderungen dann idealerweise die Supervisorin erfüllen sollte, ist ein ganz eigenes Kapitel und wohl einen eigenen Blogbeitrag wert…

[1] Für die Auslegung als Einzelsetting etwa von Oertzen (2019), für die Auslegung im Sinne einer Einzelfall-Supervision (auch in Gruppen) etwa Fritz/Pielsticker (2020).

Quellen:

Fritz, R./Pielsticker, D. (2020). Handbuch zum Mediationsgesetz. § 2 ZMediatAusbV Rz. 39 f. (2. Auflage). Wolters Kluwer
von Oertzen, J. (2019). Gruppensupervisionen nicht mehr zulässig. Interview mit „mediation aktuell“ – hier online verfügbar.

Letzte Änderung am 30. März 2021
Kirsten Schroeter

… hat es beruflich mit Konflikten in Organisationen und Unternehmen zu tun, aus Überzeugung nicht auf eine Branche spezialisiert, sondern auf die Qualität der fachlichen und zwischenmenschlichen Zusammenarbeit und der Kommunikation. Sie bildet Menschen in Konfliktberatung und Mediation aus. Und mischt bei der Weiterentwicklung des Berufs „Mediatorin“ mit – vernetzend (in der Regionalgruppe Hamburg im Bundesverband Mediation) und schreiberisch (Mitherausgeberin der „Interdisziplinären Studien zu Mediation und Konfliktmanagement“ bei Nomos sowie Mitherausgeberin der „Viadrina Schriftenreihe zu Mediation und Konfliktmanagement“ bei Metzner).

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