Das Interesse der Unternehmen an einer Entwicklung ihres Konfliktmanagements speist sich aus vielfältigen Motiven. So unterstreichen zwei Studien von KPMG die (aus dem Jahr 2009 und 2012) Bedeutung von Konfliktkosten: Konflikte – zumal wenn sie verzögern, blockieren, frustrieren – kosten, und zwar in jedem Fall. Sie kosten, wenn man sich nicht mit ihnen beschäftigt: Mitarbeiter fehlen krankheitsbedingt, arbeiten weniger effektiv, kreativ, innovativ und zufrieden oder sie kündigen. Projekte werden nicht termingerecht fertig. Der Ruf des Unternehmens leidet. Konflikte kosten auch, wenn man sich aktiv mit ihnen beschäftigt, etwa weil ein Rechtsstreit geführt wird oder unterstützende Maßnahmen wie Coaching, Teamentwicklung, Mediation in Anspruch genommen werden. Aus der Kostenperspektive geht es insbesondere um Effizienz.
Der Umgang mit Konflikten steht jedoch in vielfältiger Weise auch für die Organisationskultur: Wie wollen wir zusammen arbeiten? Wie gehen wir mit (schwierigen) Unterschieden um? Welche Erwartungen haben wir in diesem Zusammenhang an Mitarbeiterinnen und Führungskräfte? Von diesen Fragen ist es nicht mehr weit zu grundlegenden Werten: Welchen Stellenwert haben etwa Zufriedenheit, Kreativität, Gesundheit und Sicherheit der Mitarbeiter? Nicht zuletzt geht es eben um strukturelle Entwicklung von Managementprozessen: Welche Abläufe und Maßnahmen bieten wir intern im Umgang mit Konflikten an? Wie werden diese sinnvoll miteinander verzahnt? Wie wird deren Qualität gesichert und kontrolliert? Die Art und Weise, wie Unternehmen ihre Konfliktbearbeitung bewusst ausgestalten, schärft das Selbstverständnis und prägt die Organisationskultur entscheidend mit.
Es geht also um sehr komplexe Prozesse. Angesichts dieser Komplexität beeindruckt mich in der konkreten Praxis umso mehr, dass in den gelingenden Entwicklungsprozessen neben günstigen Rahmenbedingungen gerade einzelne Personen ganz entscheidend für den Erfolg sind. Ich denke an Frau A., interne Beauftragte für Konfliktmanagement, die noch in komplexesten Konfliktlagen gelassen zuhören, Zuversicht ausstrahlen und eine auch humorvolle Perspektive einnehmen kann. Ich sehe Herr B. vor mir, Impulsgeber und Vorreiter für die Etablierung des internen Konfliktmanagementsystems, der etwa mit seiner Fähigkeit, vertrackte Situationen in eingängige sprachliche Bilder zu fassen, allen Akteuren neue Perspektiven für den nächsten Schritt ermöglicht. Ich erinnere mich an Herrn C., der beim Aufbau des internen Konfliktmanagements über Jahre beharrlich-freundlich am Ball blieb und Rückschläge nutzte, um neue Allianzen zu finden.
Diese Menschen sind zentraler Bestandteil gelingender Etablierung von Konfliktmanagement – mit ihrem Impuls, etwas verändern zu wollen. Mit dem Vertrauen, dass sie in weiten Teilen der Belegschaft und der Leitungseben erworben haben. Mit ihrer Fähigkeit, insbesondere denjenigen zuzuhören, die skeptisch oder ablehnend gegenüber dem Thema sind. Mit ihrer Fähigkeit, diese Bedenken ernsthaft abzuwägen und aufzugreifen. Mit ihrer Beharrlichkeit, an dem Thema dran zu bleiben, Rückschritte auszuhalten und die nächste gute Gelegenheit zuversichtlich zu nutzen. Mit ihrer Kreativität, dieses komplexe Thema in einer Weise „zu erzählen“, die zum Unternehmen passt. Mit ihrer festen Überzeugung, einen wichtigen Schritt für das Unternehmen zu gehen – ohne dabei zu missionieren oder sich zu wichtig zu nehmen.
In den zahlreichen veröffentlichten Fallbeispielen und Studien „verschwinden“ diese Personen jedoch oft. Auch dafür gibt es sicher gute Gründe. Ich vermute jedoch, es ließe sich einiges lernen, wenn wir mehr über sie und ihr Navigieren wüssten. Insofern freue ich mich auf den Tag, an dem eine Studie über Initiatorinnen und Initiatoren von internem Konfliktmanagement erscheint und uns die Welt der internen Innovatorinnen öffnet!