Viele Ausbildungsteilnehmende möchten davon in ihrem privaten und/oder beruflichen Nahbereich profitieren. Sie haben ein Interesse, das Gelernte unmittelbar einzusetzen. Gerade im Arbeitskontext wird diese Zusatzkompetenz oft bereitwillig angenommen – und so kommt es, dass diesen Menschen schnell neben ihrer eigentlichen Arbeitsaufgabe noch eine weitere Rolle zugeschrieben wird, nämlich die einer Konfliktanlaufstelle. Und die hat es – im Vergleich zu einer externen Mediatorin – mit einer ganz anderen Gemengelage zu tun.
Sie ist Kollegin der Konfliktbeteiligten – wenn auch, je nach Größe der Organisation, möglicherweise in keinerlei alltäglichem Arbeitszusammenhang. Sie ist möglicherweise einer bestimmten Teilgruppe in der Organisation und deren spezifischer Kultur (dem Vertrieb, der Verwaltung, dem Einkauf, der Forschungsabteilung…) zugehörig und weiß um spezifische Besonderheiten in diesem Bereich. Sie gehört einer spezifischen Statusgruppe an – ist möglicherweise Führungskraft und steht mit dieser Gruppe in besonderem Zusammenhang. Sie hat möglicherweise schon spezifische Zusatzrollen – als Beauftragte für Gleichstellungsfragen, als Betriebsrätin, als Vertrauensperson. Sie gehört aufgrund ihrer Betriebszugehörigkeit zu einer spezifischen „Generation“ im Hause, kennt Menschen und Unternehmensentwicklungen aus „ihrer Zeit“ in besonderer Weise. Und, und, und.
Kurz: Sie ist in komplexer Weise mit dem System verbunden – das birgt besondere Chancen, Vertrauensperson im Konflikt sein zu können. Und es bringt besondere Herausforderungen mit sich für die Rolle als Konfliktberaterin und Mediatorin: Die Frage nach den Rollen oder nach den diversen Hüten, die sich dann auf meinem Kopf befinden – und zwar nicht nur aus meiner eigenen Perspektive, sondern auch aus Sicht der Konfliktbeteiligten –, und nach deren Chancen und Grenzen ist zentral. Diese Frage kann – nach meiner Einschätzung – immer nur gemeinsam mit den jeweiligen Konfliktbeteiligten beantwortet werden.