Die Mäusestrategie: Was tun wir, wenn uns der Käse weggenommen wird?

05. April 2017, geschrieben von 

Auf Umwegen ist mir das Buch „Die Mäuse-Strategie für Manager – Veränderungen erfolgreich begegnen“ von Spencer Johnson in die Hand gekommen. Das Buch ist dünn und der Text groß gedruckt. Das kleine Buch ist ein New York Times Bestseller. Nicht zu Unrecht fand ich, nachdem ich es gelesen habe. Verglichen mit so manchem Werk über Veränderungsmanagement vielleicht oberflächlich, aber im Großen und Ganzen werden auf den knapp 100 Seiten viele einschlägige Methoden zur Bewältigung von Veränderungen beschrieben. Meine Hypothese ist, dass die allermeisten Leser sich selbst zu irgendeinem Zeitpunkt in der Geschichte wiederfinden.

Es ist eine Parabel von einem Mäusepaar und einem Zwergenpaar, und die große Frage ist, was tun wir, wenn Veränderungen eintreten - oder - um die Metapher des Buches zu benutzen - wenn uns der Käse weggenommen wird. Der Käse symbolisiert, was uns wichtig ist, beispielsweise das, wonach wir streben, uns sehnen oder das, was wir schon erreicht haben oder meinen zu besitzen.

Die Mäuse und die Zwerge haben in einem Labyrinth ein Käselager gefunden. Als die Mäuse nach einer Weile feststellen, dass der Käse weg ist, gehen sie sofort auf die Suche nach neuem Käse. Im Gegensatz zu den Zwergen waren die Mäuse schon vorbereitet: Sie hatten schon im Voraus instinktiv den Käsebestand auf Anzeichen von Veränderung überprüft und sich somit auf einen möglichen Wandel vorbereitet.

Als das Zwergenpaar aber feststellt, dass der Käse weg ist, ist es überrumpelt, schockiert und fühlt sich ungerecht behandelt. Die Zwerge möchten verstehen, was passiert ist, möchten ihren Anspruch auf Käse verteidigen und meinen, das Problem des verschwundenen Käses durch Überlegen lösen zu können. Es dauert lange, bis sie sich endlich - zunächst der eine und nach sehr langem Leiden auch der andere - in das große Ungewisse (das Labyrinth) aufmachen, um nach neuem Käse zu suchen. Während sich das Zwergenpaar so durch die verschiedenen Stufen eines Veränderungsprozesses mühsam bewegt, hat das Mäusepaar am anderen Ende des Labyrinths schon längst neuen Käse gefunden.

Wenn Teams „der Käse weggenommen wird“ – und sie sich mit Veränderungen beschäftigen müssen, kann man als Berater ähnliche Reaktionsmuster erleben. Für manche Mitarbeiter ist es ein Leichtes sich umzustellen, sie können sich recht schnell vom bisherigen Zustand verabschieden. Für andere dagegen ist es ein langer mühsamer Weg, oft von Gefühlen wie Ungerechtigkeit, Verunsicherung, Trauer oder Wut geprägt. Der Abschied von einem geschätzten Kollegen oder Vorgesetzten, die Gewöhnung an neue Kollegen an deren Stelle, Neuverteilung von Zuständigkeiten; die Liste des möglichen Wandels ist lang, und die daraus folgenden Veränderungsprozesse sind manchmal langwierig. Gerade dann, wenn sich die Mitarbeiter mehr damit beschäftigen, wie viel besser der Zustand vorher war, als sich mit dem Veränderten auseinanderzusetzen. All dies ist sehr nachvollziehbar und verständlich, aber - wenn die Umstellungszeit lange anhält - eben auch sehr belastend und zeitaufwendig und birgt oft viel Konfliktpotential.

Bekanntlich führen ja viele Wege nach Rom – oder zu neuem Käse, und ich habe gerne möglichst viele verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, wenn ich mir mit Teams zusammen anschaue, welche Prozesse gerade im Gange sind und wie man Veränderungen vielleicht anders begegnen könnte. In Geschichten wie „Die Mäusestrategie“ finden wir uns schnell wieder, und manchmal sind einfache Geschichten wirkungsvoller, als theoretische Modelle, weil wir uns darin ohne direkten Bezug und vielleicht mit einem Augenzwinkern wiedererkennen können. Vielleicht werde ich in Zukunft öfter auf „die Mäusestrategie“ zurückgreifen, und vielleicht wird einem die Käsesuche weniger abschreckend und verängstigend vorkommen. Was denken Sie?

Letzte Änderung am 12. Juni 2018
Mette Bosse

…arbeitet freiberuflich als Coach, Konfliktmoderatorin und Teamentwicklerin und leitet u.a. Seminare zu Konfliktmanagement im Career Center an der Hamburger Universität. Ursprünglich als Juristin in der dänischen Zentraladministration tätig hat sie mehrfach im Ausland gelebt. Hier sammelte sie vielfältige Erfahrungen, wie sich unterschiedliche Kulturen zueinander verhalten und interagieren. Ihr Anliegen ist es Menschen und Teams auf deren Weg zu begleiten, um Ressourcen und neue Wege zu erkennen und so neue Handlungsoptionen zu erschließen. Zuversicht, Wertschätzung und Resonanz sind dabei ihre wichtigsten Wertegrundlagen. Selbstreflektion und kollegialer Austausch bereichern und beflügeln ihre Arbeit.

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