Seit 2016 die Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren (kurz ZMediatAusbV) erlassen wurde, wird diese Verordnung scharf kritisiert (siehe auch meinen eigenen Blog-Beitrag vom Dezember 2020, der in der bestehenden Form der Zertifizierung eine „Mogelpackung“ wittert). Diese Kritik bleibt nicht ohne Wirkung.

Dass regelmäßige Supervision sowohl für angehende wie erfahrene Mediator*innen selbstverständlich zu einem professionellen Umgang mit sich und der eigenen Tätigkeit gehört, ist unstrittig. Jede Mediation ist einzigartig – und immer wieder kann uns eine methodische Herausforderung, eine Haltungshürde, ein kniffliges Thema, eine vertrackte Konfliktdynamik, eine besonders eigenwillige Partei oder ähnliches ins Stocken oder Grübeln oder an eine persönliche Grenze bringen, egal ob wir neu im Geschäft oder schon mit hunderten Fällen Erfahrung im Gepäck als Mediator*in unterwegs sind.

Dass die Reflexion eigener Mediationsfälle im Rahmen einer Supervision ein sinnvoller und notwendiger Bestandteil einer guten Mediationsausbildung sein sollte, ist unstrittig. Und auch für ausgebildete Mediator*innen bleibt es für die Weiterentwicklung der eigenen Professionalität zentral, immer wieder herausfordernde Situationen aus der eigenen Praxis supervisorisch zu bearbeiten. In den Qualitätsstandards der Mediationsverbände fanden sich diese professionellen Selbstverständlichkeiten von Anfang an wieder. Und so war es stimmig und folgerichtig, dass Supervision im Mediationsgesetz (MediationsG von 2012) Eingang fand und in der Ausbildungsverordnung (ZMediatAusbV von 2016) genauer bestimmt wurde.

Seit Erlass der Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren (kurz: ZMediatAusbV) im August 2016 ist geregelt, was die Voraussetzungen für das Führen der Bezeichnung „zertifizierte/r Mediator*in“ sind – und dass der Vorgang dieser Zertifizierung nicht den damit traditionell verbundenen Erwartungen einer Prüfung dieser Voraussetzungen durch unabhängige Dritte entspricht. Denn eingeführt wurde eine sogenannte „Selbstzertifizierung“: Mediator*innen, die die Bezeichnung führen möchten, prüfen selbst, ob die Voraussetzungen vorliegen – und entscheiden auch selbst, ob sie berechtigt sind, den Titel zu führen. Dies wurde – aus meiner Sicht zu Recht – scharf kritisiert; Peter Röthemeyer brachte es am treffendsten und schärfsten auf den Punkt, als er den Begriff der „Zertifizierungsfiktion“ prägte1. Für die meisten Mediationsparteien oder Mediationsinteressierten werden diese Feinheiten kaum zu durchschauen sein (siehe dazu meinen Blogbeitrag zur „Mogelpackung für Konfliktprofis“).

Vielleicht kennen Sie als Mediatorin oder Mediator das auch: Am Ende eines intensiven Mediationstermins, in dem gerungen wurde um Verständnis für sich, füreinander und für eine konstruktive gemeinsame Entwicklung und in dem zwischenzeitlich vielleicht sogar fraglich war, ob es überhaupt voran – statt rückwärts, seitwärts oder im Kreis – gehen würde, sagt eine Partei im Rausgehen in Richtung der Mediatorin, zugleich leicht erschöpft und leicht lächelnd: „Na, Sie haben sich Ihren Feierabend jetzt aber auch verdient.“ Oder: „Was Sie sich alles anhören müssen bei Ihrem Beruf“.

Ein angeregter Kneipenabend mit einer Kollegin. Sie arbeitet seit Jahrzehnten als Mediatorin und bildet fast genauso lange Mediator*innen aus. Als sie mir erzählte, dass sie noch nie selbst als Mediandin an einer Mediation beteiligt war, hätte ich ihr vor lauter Überraschung fast mein Bier ins Gesicht geprustet. Wie bitte?! Als sie mir auch noch versicherte, dass sie damit nun wirklich nicht allein sei, sondern die Ausbilder*innen, die selbst Erfahrung als Mediand*innen hätten, ihrem Eindruck nach sogar in der Minderzahl seien, war ich erst einmal sprachlos.

Seit dem 1. September 2017 können Mediator*innen, die bestimmte Anforderungen erfüllen, die Bezeichnung „zertifizierte/r Mediator/in“ führen. Der Gesetzgeber hat mit dem seit 2012 geltenden Mediationsgesetz und der nun in Kraft tretenden Verordnung, die die Aus- und Fortbildung regelt, diese Bezeichnung geschaffen.

Angeregt durch den Beitrag von Sascha, ob wir als Mediator*innen eine geheime Agenda verfolgen, erinnerte ich mich an einen Mediationsauftrag. Dieser hat mich nach vielen Jahren der erfahrungsbasierten Überzeugung: „Trennung ist so manches Mal die allerbeste unter den schlechten Optionen!“ noch einmal in innere Arbeit gebracht.

Als Mediator und Ausbilder kenne ich die Problematik: Wie kommt man eigentlich an Konfliktfälle? Große Mediationsverbände fordern für die Anerkennung von Mediatoren in ihren Standards vier Mediationen. Wer sich ab dem 1. September 2017 "zertifizierte/r Mediator/in" nennen will, ist verpflichtet, bis spätestens zwei Jahre nach dem Zertifizierungszeitpunkt insgesamt fünf Fälle mediiert und in Supervision reflektiert zu haben. Für frisch gebackene MediatorInnen stellt diese scheinbar kleine Hürde einen realen Stolperstein dar, an dem nicht wenige scheitern.