Ich habe somit wieder einmal erlebt, wie hilfreich es ist, Kolleg*innen um Unterstützung zu bitten, um bestmögliche Voraussetzungen zu schaffen. Dafür bin ich ihnen wirklich dankbar!
Gleichzeitig möchte ich als bekennend technikferne Perfektionistin dafür werben, es mit den meiner Meinung nach grundsätzlich sehr einfach zu handhabenden Online-Tools einfach auszuprobieren. Und es bei Bedarf als persönliche Lernaufgabe zu begreifen, den eigenen Anspruch in diesen Krisenzeiten herunter zu schrauben. Ja, 80 % sind weniger als 100 %, aber eben auch sehr viel mehr als 0 %. Gerade in Krisenzeiten sind unsere Kompetenzen bei der Bewältigung von konflikthaften Dynamiken erfahrungsgemäß besonders wertvoll, da sie Halt geben und Ängste nehmen können.
Es ist somit alles auch eine Frage des Erwartungsmanagements: Ich gehe mittlerweile schlicht davon aus, dass technisch nicht alles rund laufen wird. Mir hilft es dabei, mir Videos wie zum Beispiel von unserer Bundeskanzlerin anzuschauen, die ins Mikrofon ruft: „Can you hear me now?“ und mir bewusst zu machen, dass das gerade unser aller Normalität ist.
Eine neu erworbene Basistechnik von mir ist es somit, technische Probleme normalisierend zu kommentieren: „Frau Müller, sie waren leider akustisch gerade sehr schlecht zu verstehen. Das passiert manchmal. Darf ich Sie bitten, es noch einmal für uns alle zu wiederholen?“
Ansonsten gehe ich sehr sparsam mit all den spannenden Abstimmungs-, Zustimmungs- und Meldetools um, die die meisten Programme für Videokonferenzen bereithalten. Mein Eindruck ist, dass diese Werkzeuge Menschen im Konflikt eher stressen. Und unabhängig davon, ob das bei anderen so ist: Mich als Moderatorin stressen sie! Insofern arbeite ich schlicht mit klassischer Körpersprache. Das bedeutet, dass bei mir in der Mediation immer alle Bildschirme angeschaltet sind (was ich übrigens generell empfehlen würde!) und dass sich Menschen ganz klassisch melden oder ich Fragen stelle, bei denen ich bitte, deutlich zustimmend zu nicken oder mit dem Kopf zu schütteln. Ich habe damit sehr gute Erfahrungen gemacht, weil mein Eindruck ist, dass alle sehr fokussiert bei dem gesprochenen Wort sind und eben nicht bei der faszinierenden Technik.
Ich visualisiere auf selbstklebenden Moderationskarten, die ich wiederum auf ein Flipchart klebe, das schräg hinter mir steht. Zwischendurch nehme ich mein Tablet und blende diese Karten nochmal einen Moment für alle sichtbar ein. Gerade von Menschen, mit denen ich die Mediation online fortgesetzt habe oder die mich von früher aus Mediationen kennen, habe ich dazu die Rückmeldung erhalten, dass sie dies als vertrautes Element sehr schätzen. Und hinterher bekommen die Parteien „wie immer“ ein Fotoprotokoll davon.
Ich erwarte außerdem, dass einige Konfliktparteien unter erschwerten Bedingungen an der Mediation teilnehmen: Ich durfte bereits Menschen mediieren, die in ihrem Schlaf- oder Badezimmer saßen, weil das in einer Großstadtwohnung mit Kindern der einzig halbwegs ruhige Ort war. Wobei wir gleich bei der zweiten Herausforderung sind: Die Kleinen sorgen manchmal durchaus für Geräuschkulisse.
Auch hier gilt für mich: Normalisieren! „Kein Wunder, dass die Kids meinen, jetzt reicht‘s aber auch mal mit Corona! Das geht mir auch nicht anders!“ Meistens sehe ich beim gestressten Elternteil dann ein dankbares Lächeln.
Darüber hinaus habe ich festgestellt, dass ich mehr erkläre, was ich tue, um den Beteiligten einen roten Faden zu ermöglichen. Ich sage beispielsweise: „Ich würde im Raum jetzt eine Runde machen, wir machen quasi auch eine, nur da auf jedem Bildschirm die Personen unterschiedlich angeordnet sind, rufe ich euch jetzt nacheinander so auf, wie ihr auf meinem Bildschirm zu sehen seid.“
Und schließlich habe ich mir vergegenwärtigt: Zwei Dinge habe ich auch bei Online-Mediationen wirklich komplett selbst in der Hand – mein Outfit und meinen Bildhintergrund. Beides lässt sich vorab in Ruhe auswählen!
Ich bin sehr gespannt auf eure und Ihre Anregungen und Tipps für Mediationen im virtuellen Raum!