Empathie in der Media­tion: Balance zwischen Menschlichkeit und Professionalität

07. November 2018, geschrieben von 

Die Definition von Allparteilichkeit wird oft mit dem Hinweis verbunden, dass die Mediatorin mit dem emotionalen Ausdruck des Klienten mitgehen sollte. Das ist ein schwieriges Unterfangen, weil es einen inneren Widerspruch enthält. Die Art, Gefühle zum Ausdruck zu bringen, soll ja am besten menschlich, sprich authentisch-spontan und nicht geplant-kontrolliert sein. Eine professionell ausgeübte Empathie läuft dementsprechend leicht Gefahr, aufgesetzt zu wirken. Wenn sie andererseits spontan und vollkommen authentisch zum Ausdruck gebracht wird, könnte sie allerdings auf den Klienten störend oder verwirrend wirken: „Ist der Mediator jetzt tatsächlich selbst so betroffen?“ Parallel dazu kann das gezeigte Mitgefühl des Mediators die notwendige Konzentration auf die sachliche, innerseelische und zwischenmenschliche Konflikt-Problematik irritieren.

Wie können wir also eine Balance finden, die für den Mediationsprozess nützlich ist und in der sich sowohl die Konfliktparteien als auch die Mediatorin wiederfinden? Das Kernprinzip des Hamburger Ansatzes der menschlichen Kommunikation ist nach Schulz von Thun (1998, S. 121f.) die sogenannte „doppelte Stimmigkeit“, d.h. eine möglichst hohe Übereinstimmung der Selbstkundgabe mit (a) dem eigenen (inneren) Erleben sowie (b) den sozialen Anforderungen der (äußeren) Situation. Danach wäre es beispielsweise nicht stimmig, wenn zwei Verhandler aus verschiedenen Unternehmen – seit Studienzeiten gute Freunde – in kumpelhafter Weise miteinander reden und die Interessen ihrer Unternehmen aus dem Blick verlieren. Aber auch eine Kommunikation, in der sie sich siezen, obgleich sie sich als gute Freunde sonst immer duzen, wäre unpassend. Hier geht es nach Schulz von Thun um die Balance von Professionalität und Menschlichkeit.

Die Rolle des Mediators fordert vor allem eine Klärung von konflikthaften Gegensätzen zwischen den Parteien sowie eine professionelle Unterstützung beim gemeinsamen Erarbeiten von Lösungsentscheidungen und -aktivitäten. Die Widerspiegelung der Gefühle der Konfliktparteien durch die Mediatorin ist richtig und wichtig, allerdings im Zweifel nur soweit, wie es für den Klärungs- und Lösungsprozess von Nutzen ist, und sollte daher gut dosiert sein. Ich sage daher manchmal zur Erläuterung meiner Rolle, dass ich mich als „Anwalt des Konfliktes“ sehe, der auf die Klärung der Gegensätze ausgerichtet ist und deshalb mit den Gefühlen der Empörung, Befürchtung oder Enttäuschung nicht so mitgehen kann, wie es sich die Konfliktparteien manchmal wünschen.

Dies ist vor allem in der Mediation wichtig, wo die andere Konfliktpartei ja alles mithört. Unser authentisches und menschliches Mitgefühl mit der einen Partei (oder auch mit beiden) kann die Konzentration auf den Klärungs- und Lösungsprozess beeinträchtigen und unsere Allparteilichkeit gefährden. Umgekehrt sollte die Konzentration auf Klärung und Lösung nicht dazu führen, dass man die Gefühle der Konfliktparteien übersieht und übergeht.

Die Balance sehe ich da, wo die sachbezogene Konzentration auf den Klärungsprozess nicht durch die Anforderung des authentischen Mitfühlens beeinträchtigt wird. Diese Balance zu finden ist aber leichter gesagt als getan. Erste Schritte zur Optimierung dieser Balance von Menschlichkeit und Professionalität sind meines Erachtens zunächst (a) die Selbstklärung für mich in meiner Rolle als Mediator und als Mensch, wenn es um meine Gefühle und um meine Reaktionen auf der Gefühle anderer geht (Wohin neige ich persönlich und wo liegt meine Schwäche?) sowie (b) die systematische Arbeit an mir selbst (Wie kann ich meine Schwäche ausgleichen, nutzen oder transparent machen?).

Wie sieht Ihre Haltung dazu aus, und welches wären vielleicht Ihre Schritte, um die Balance zu finden?

Letzte Änderung am 05. Januar 2022
Alexander Redlich

… ist Professor (i. R.) für Pädagogische Psychologie und hat Psychologe, Sozialpädagogik, Lehramt studiert. Er ist Mediator und Ausbilder BM®, wissenschaftlicher Leiter der Ausbildung "Konfliktberatung und Mediation" an der Universität Hamburg und seit Gründung im Vorstand von KOMET.
Seine Forschung und Lehre bezogen sich auf die Beratung von Lehrkräften und Schulklassen, ausgrenzungsgefährdete Kinder und ihre Familien, Dynamik von Arbeitsgruppen und Führung in Wirtschafts- und Verwaltungsorganisationen. Seit 10 Jahren geht es um Werte und Normen großer Gruppen. Dabei standen immer Kommunikation, Kooperation und Konfliktbewältigung in und zwischen den Mitgliedern menschlicher Gruppen im Mittelpunkt - nach dem Motto "Am Anfang war die Gruppe".

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