Selten wird explizit ausgesprochen, welche Erwartungen mit der Annahme des Geschenkes verbunden sind, gehört doch gerade der Moment der Überraschung zu einem gelungenen Geschenk. Oftmals befeuern später solche unausgesprochene, nicht erwiderte Erwartungen einen Konflikt. Wer mag schon ausdrücklich einfordern, dass der Beschenkte sich doch bitte dankbar zeigen solle. Zeigt sich "echte" Dankbarkeit nicht gerade darin, dass sie ungefragt und von Herzen kommt? Wer ein Geschenk annimmt, sieht sich schnell zu Dank verpflichtet. Und doch traut sich kaum einer, ein liebgemeintes Geschenk mit dem Hinweis zurückzuweisen, dass es ihm mehr Last und Bürde sei. Es ist und bleibt ein heikles Spiel: Gelingt der Akt der Schenkung, ist er Ausdruck einer besonderen Wertschätzung. Misslingt er, kann er die freundschaftliche Verbindung belasten und in Frage stellen. Die Schenkung ist dann nicht Ausdruck einer geteilten, gegenseitigen Wertschätzung, sondern vielmehr Symbol unterschiedlicher Erwartungen.
In der Mediation beschäftigen uns diese nicht erfüllten Erwartungen immer wieder – der Vorwurf der Undankbarkeit steht schnell im Raum. Nicht selten fordern dann Konfliktparteien Dankbarkeit ein, als hätten sie einen Rechtsanspruch darauf – den sie zuweilen tatsächlich haben. Mehr dazu demnächst in einem weiteren Beitrag. Bleibt diese aus, folgen Enttäuschung, Frust und Verbitterung – und eben hin und wieder auch eine Mediation.
Unter Konfliktparteien gibt es oft einen Konsens, dass einem für ein Geschenk Dankbarkeit zusteht. Diese stillschweigend geteilten Norm ist den wenigsten bewusst und wird selten hinterfragt. Für den Beschenkten ist dies häufig eine ambivalente Sache: Verspürt er doch die Verpflichtung sich dankbar zeigen zu müssen, ohne selbst Dankbarkeit zu empfinden. Hier Licht ins Dunkel zu bringen, Erwartungen des Dankes zu beleuchten, unschöne Wahrheiten zu benennen, ist dann Aufgabe der Mediation.