Kürzlich rief mich eine Personalerin an und schilderte mir einen Fall, der in den letzten Wochen eskaliert war, und bat mich um Unterstützung. Eine Mitarbeiterin fühlte sich von ihrem Teamleiter im Hinblick auf die Genehmigung von Fortbildungen benachteiligt und hatte sich daraufhin bei ihrer Abteilungsleiterin beschwert. Diese Abteilungsleiterin hatte zum einen ein sehr gutes Verhältnis sowohl zu der Mitarbeiterin als auch zu ihrem Teamleiter und besaß zum anderen eine Mediationsausbildung. Sie bot an, sich mit beiden an einen Tisch zu setzen und ein Gespräch zu moderieren. Nach diesem Klärungsversuch wandte sich nun die Mitarbeiterin an Betriebsrat und Personalabteilung und tat kund, dass sie sich am liebsten versetzen lassen würde. Aufgrund der Konflikte mit Teamleitung und Abteilungsleitung könne sie sich nicht mehr vorstellen, mit den beiden weiter zusammenzuarbeiten. Einen Tag später wandte sich auch noch die Abteilungsleiterin an die Personalabteilung und bat um externe Moderation für ein Gespräch mit ihrem Teamleiter. Aus dem ursprünglichen Konflikt zwischen Teamleiter und Mitarbeiterin waren mit dem Klärungsversuch der Abteilungsleiterin nun noch zwei weitere Konflikte entstanden: der zwischen Abteilungsleiterin und Teamleiter sowie der zwischen Abteilungsleiterin und Mitarbeiterin.
Da mir diese Konfliktausweitung in den letzten Jahren häufiger in dieser Konstellation begegnet ist, vermute ich, dass diese Eskalation durchaus strukturell angelegt sein könnte. Schon bei einer Mediation von zwei Mitarbeitenden auf gleicher Hierarchieebene durch deren Führungskraft erwarten diese von ihr oft eine parteiliche Unterstützung. Wenn die Führungskraft es schafft, in ihrer Haltung klar allparteilich und ergebnisoffen zu agieren, und Transparenz darüber herstellt, dass sie beide gleichermaßen unterstützt, so wird ihre vermittelnde Rolle in der Regel akzeptiert. Meiner Erfahrung nach gelingt dies bei Mediationen über drei Hierarchiestufen dagegen häufig nicht: Vielmehr erwarten Führungskräfte, die sich in ihrer Führungsrolle durch den Konflikt in Frage gestellt oder gar bedroht sehen, von ihren übergeordneten Vorgesetzten im besonderen Maße, dass sie nicht nur parteilich unterstützt, sondern auch in ihrer Führungsrolle gestärkt werden. Die Mitarbeitenden dagegen erwarten, als "Opfer von verfehltem Führungsverhalten" von der übergeordneten Vorgesetzten geschützt zu werden. Gerade die dem Mediationsverfahren innewohnende allparteiliche und ergebnisoffene Grundhaltung wird somit jeweils als Mangel an Unterstützung erlebt und führt leicht zu Konflikten mit der vermittelnden Vorgesetzten, da beide Seiten Parteilichkeit erwarten.
Ich weise deshalb Führungskräfte unabhängig von ihrer fachlichen und menschlichen Kompetenz nachdrücklich auf dieses Eskalationsrisiko bei einer Vermittlung über drei Hierarchiestufen hin und empfehle externe Unterstützung. Hierbei kann es sich selbstverständlich nicht nur um hauptberuflich agierende Mediator*innen handeln, sondern ebenso um interne Konfliktberater*innen, aber eben um eine Person, die von den Konfliktbeteiligten deutlich als allparteilich und ergebnisoffen handelnde Vermittlungsperson ohne Entscheidungsbefugnis gesehen und akzeptiert wird und an die keine Erwartungen an eine Unterstützung in der Führungsrolle bzw. ein Schutz vor der Führungskraft besteht.
Und jetzt? Ich würde mir sehr wünschen, dass Vorgesetzte in ihren Führungskräftetrainings sowie in Mediationsausbildungen für diese besondere Problematik sensibilisiert würden, um sich bewusst zu entscheiden, ob sie das Risiko eingehen wollen, durch ihre Intervention gegebenenfalls selbst in Konflikt zu geraten.