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Für die meisten Menschen ist ein Mediationstermin mit psychischem und emotionalem Stress verbunden – vorher, währenddessen und so manches Mal leider auch hinterher.

Ich werde als externe Mediatorin häufig hinzugezogen, wenn der Konflikt emotional bereits sehr eskaliert ist und es wechselseitig zu schweren Verletzungen gekommen ist. Ich führe in diesen Fällen mit den Beteiligten in der Regel getrennte Vorgespräche und frage sie in diesem Rahmen, welchen Weg sie mit der anderen Konfliktpartei generell gehen möchten: Den Weg der zukünftigen Kooperation, Entflechtung oder einvernehmlichen Trennung.

Wie so einige Kolleg*innen habe ich pandemiebedingt – und somit im Grunde unfreiwillig – damit begonnen, Mediationen in den virtuellen Raum zu verlegen. Damals war für mich völlig klar, dass ich vollumfänglich in Präsenz zurückkehren würde, sobald es nur irgendwie möglich sein würde. Videokonferenzen waren für mich ausschließlich ein Hilfsmittel in der Krisenbewältigung.

Mediation basiert auf der Gleichberechtigung aller Menschen – egal welcher Herkunft, welchen Geschlechts, welcher sexuellen Orientierung, welcher Religion oder mit Blick auf sonstige Unterschiede. Es ist somit unsere Aufgabe als Mediator*innen, dafür Sorge zu tragen, dass alle Beteiligten in der Mediation einerseits mit Respekt behandelt werden und sich andererseits mit ihren Interessen und Werthaltungen einbringen können.

Unter der Überschrift „Wen schaue ich an? Der Blick in Online-Mediationen“ reflektiert der schottische Mediator Charlie Irvine sehr anschaulich, welch bedeutende Rolle der Blick des Mediators in Präsenz-Mediationen (insbesondere mit vielen Beteiligten) hat – und wie anders das Schauen und Anschauen in Online-Mediationen funktioniert. Seine Überlegungen haben mich angeregt, meine eigene Praxis in Online-Mediationen – die wie bei so vielen Kolleginnen und Kollegen wirklich rein pandemiebedingt entstanden und dann zügig beträchtlich gewachsen ist – unter diesem Gesichtspunkt Revue passieren zu lassen.

Mediationen mit Familienmitgliedern mache ich nicht oft, aber immer wieder gerne. Ich glaube, die Verbindungen zu unserer Familie gehören zu den emotional tiefsten und damit auch zu den schönsten wie schmerzhaftesten menschlichen Verbindungen, die wir eingehen. Da ich aber nicht als Familienmediatorin ausgebildet bin, sind die familiären Konflikte, die bei mir landen, meist an ein anderes Thema geknüpft, etwa die Unterstützung bei der Berufswahl der erwachsenen Kinder oder die Zusammenarbeit von Familienmitgliedern im beruflichen Kontext.

In den meisten Fällen, in denen ich zwischen Gruppen mediiere, werde ich zu einem konkreten Sachthema gerufen. Die Beteiligten merken, dass sie sich festgefahren haben und dass das ungelöste Thema mittlerweile auf eine persönliche Ebene gerutscht ist. In einem Unternehmen ist beispielsweise die Stimmung angespannt, wenn Mitglieder der Geschäftsführung und des Betriebsrats gemeinsam in der Teeküche sind. Oder bei einer Konferenz sagt jemand: "Wenn Blicke töten könnten…", weil die Vetreter*innen zweier NGOs bei Beiträgen der anderen mit den Augen rollen, seufzen oder kurz auflachen. Oftmals ist den Beteiligten klar, dass das Sachthema zeitnah konstruktiv bearbeitet werden sollte, um eine weitere Eskalation auf der Beziehungsebene zu verhindern.

Wir wissen nach wie vor wenig über die Zahl der in Deutschland real durchgeführten Mediationen. Nur punktuell liegen systematische Erhebungen vor – etwa für den Bereich der güterichterlichen Mediation oder von einzelnen Unternehmen. Bezüglich der Effekte von Mediationsausbildungen ist nicht nur im deutschsprachigen Raum, sondern auch international eine erhebliche Forschungslücke zu konstatieren.

Viele ausgebildete Mediator*innen arbeiten mittlerweile überaus erfolgreich als interne Konfliktberater*innen im eigenen Unternehmen oder in Hochschulen und Verwaltungen. Einige von ihnen sind Führungskräfte, die ihre Kompetenzen darüber hinaus im eigenen Team gewinnbringend einsetzen, wenn sie Konflikte im Team klären. Meistens findet dies nicht unter dem Label der Mediation statt, sondern als "moderiertes Gespräch" oder "Klärungsgespräch". Soweit, so hilfreich.

Hierbei scheint es mir jedoch eine Konstellation zu geben, die ein besonders hohes Eskalationsrisiko bei interner Vermittlung mit sich bringt: Wenn eine Führungskraft in einem Konflikt zwischen untergeordneter Führungskraft und Mitarbeiterin vermittelt.

Im letzten Frühherbst saß ich in der Beratung einer Geschäftsführerin, die einschneidende Veränderungen für ihre Organisation plante: Sie wollte den Teams in ihren Bereichen mehr Eigenverantwortung geben. Ich schätze die Geschäftsführerin als eine Frau, die sehr klar kommuniziert, die ihre Mitarbeiter*innen zu begeistern und motivieren vermag, Widerstände ernst nimmt und sich nicht scheut, sich wirksame Unterstützung von außen zu organisieren. Optimale Bedingungen für einen Veränderungsprozess also…

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